Lasst uns über Sprache reden

Veröffentlicht: 26/12/2021 in Ein paar Gedanken zu ...
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Ja, lasst uns da mal drüber reden. Sprache ist das Kommunikationsmittel Nummer 1, egal ob geschrieben oder gesprochen. Man kann zwar auch ohne Sprache kommunizieren (schon Watzlawick sagte „Man kann nicht nicht kommunizieren“), aber die Sprache macht es doch einfacher und sie ist wichtig. Nicht nur, damit wir uns besser verständigen können, sondern sie prägt unser Denken und Handeln enorm.

Weil sie so wichtig ist, bin ich auch sehr ein Freund davon Sprache bis zu einem gewissen Grad zu zelebrieren. Ich liebe Sprachgeschichte, also wo welches Wort herkommt, ursprüngliche Bedeutungen und wieso wir die Worte so verwenden. Und ich finde es wichtig sich diese Ursprünge anzuschauen, um ein besseres Verständnis zu haben. Beschäftigt man sich mit der Sprache, dann merkt man auch was für einen Einfluss die Gesellschaft auf die Sprache und die Sprache auf die Gesellschaft hat und hatte.

Sprache zelebrieren heißt übrigens nicht, dass an ihr zwanghaft festgehalten werden muss, ein Wort muss nicht für immer in deinem Wortschatz bleiben. Sprache ändert sich, wandelt sich, nur eine tote Sprache tut das nicht.

Wenn man sich also mit der deutschen Sprache wirklich beschäftigt, dann merkt man eines – Sie ist in vielen Teilen nach wie vor rassistisch und antisemitisch. Es wird gerade aufgebrochen, es finden Diskussion darüber statt. Ich finde es gut und wichtig. Die bekanntesten Beispiele sind dafür wohl das N- & das Z-Wort.

Ehrlich gesagt wusste ich lange nicht, dass das Z-Wort nicht die tatsächliche Bezeichnung für Sinti & Roma ist. Ich habe immer an Esmeralda aus „Der Glöckner von Notre Dame“ gedacht und ja, ich habe mich zu einem Karneval auch so verkleidet, als Kind. Niemand hat da etwas gesagt, es als problematisch angesehen, im Gegenteil meine Familie hat alle Klischees ausgepackt die ihnen so einfielen und ich hab mich gefreut, weil ich bunt geschminkt war und geklingelt hab, sobald ich mich bewegt habe. Und dennoch, obwohl ich nichts wusste, also wirklich nichts, außer was mir Disney beigebracht hatte, war es mir gegenüber einem Klassenkameraden unangenehm, der von den Sinti & Roma abstammte. Er hat auch nichts gesagt, dennoch war es mir irgendwie peinlich. Mein kleines ich hat das damals also irgendwie schon gespürt, dass das doch nicht so cool war. Heute weiß ich auch warum und soweit ich mich erinnere habe ich danach nie wieder ein Kostüm einer anderen Kultur angezogen. Und weil ich damals wohl schon so ein Gespür dafür hatte, war ich auch sehr in Ordnung damit, dass ein Hersteller (wohl gemerkt Einer!) seine Sauce umbenannt hat. Tatsächlich habe ich dadurch erst wirklich gelernt, was es mit dem Z-Wort auf sich hatte. Aber viele andere haben sich sehr darüber aufgeregt und ich fragte mich ernsthaft warum.

Bei dem N-Wort und der früheren Bezeichnung für den Schokokuss genauso. Da irritiert mich die Aufregung nur noch mehr. Denn die Umbenennung zu Schokokuss war ungefähr zu der gleichen Zeit als Raider in Twix umbenannt wurde. Klar gab es da sicher auch Probleme bei der Umstellung, aber da wurde sich trotzdem niemand so sehr aufregen wie über den Schokokuss und vorallem heute nicht mehr. Aber warum ist das so? Ich habe da so eine Vermutung, da gehe ich später nochmal darauf ein.

Ich hatte ja gemeint, dass die deutsche Sprache antisemitisch sei. Wie komme ich darauf? Vor einiger Zeit habe ich auf Instagram einen Beitrag gesehen in dem genau das erklärt wird. Wir haben in die deutsche Sprache jiddische Worte übernommen, von vielen aber die Bedeutung ins negative umgedreht. Z.b. Ische wird im deutschen negativ verwendet, bedeutet aber eigentlich nur Frau, ohne Wertung. Schachern bedeutet lediglich Handeln, bei uns wird es aber mehr als unehrliches Geschäftemachen angesehen und mauscheln kommt von dem jiddischen Vornamen Moische, Mauschel oder Mosche. Es ist ein Vorname und wir Deutschen haben daraus was schlechtes gemacht. Somit wurde vieles jüdische direkt negativ behaftet, das falsche Bild des verschlagenden, gierigen Juden geformt und gestärkt. Solche Macht hat Sprache. Das die Nazis dieses falsche Bild genutzt haben und was passiert ist wissen wir (hoffentlich) alle. Dennoch nutzen wir diese Worte weiterhin in ihrem negativen Bedeutung.

Sprache hat sich also schon immer gewandelt und wird es weiterhin tun. Die Bedeutung von Wörtern hat sich geändert und wird es weiterhin tun. Es ist wichtig und daher finde ich es auch wichtig, dass wir darüber nachdenken, darüber reden. Wenn sich gewisse Wörter ins negative wandeln können, dann können wir die Bedeutung doch auch nochmal wandeln, wieder ins neutrale, vlt auch ins positive. Wir können mit Sprache Menschen integrieren, statt ausschließen und deformieren. Das alles kann Sprache.

Ok, ich spreche mich für einen Sprachwandel aus, möchte aber gleichzeitig auch Wörter komplett streichen? Ja, das möchte ich. Ich finde auch das muss so sein. Einige Wörter waren nämlich schon immer sogenannte Slurs (also Verunglimpfungen) und werden nach wie vor so genutzt. Da kann man das noch so verharmlosen in dem man Süßigkeiten danach benennt, die rassistischen Vorurteile werden nur weiter mit getragen und verstärkt. Es verletzt Menschen und das möchte man doch nicht. Das N-Wort wird nie gut sein. Einfach nein. Merkt euch einfach: es ist eine Beleidigung und hat damit nichts in unserem normalen Sprachgebrauch zu suchen. Noch viel schlimmer, es ist eine Beleidigung für eine bestimmte Gruppe, keine generelle (wie z.B. Arschloch, das kann jeder sein). Eine bestimmte Gruppe, die mit diesem Wort margninalisiert und entmenschlicht werden sollte. Wollen wir wirklich etwas essen, dass eine Beleidigung im Namen trägt? Es kommt natürlich auch immer noch darauf an, wer es sagt. Ich weiß das finden viele komisch, dass weiße das N-Wort nicht verwenden sollen, wenn schwarze es aber selbst verwenden, Rapper schön in ihre Texte verpacken und dann wird erwartet, dass der weiße Fan das nicht mit singt. Es hat was mit Empowerment zu tun. Das Wort, dass einen nieder machen sollte wurde genommen, vereinnamt und für sich mit Kraft gefüllt. Nutzt das jetzt jemand, der der Gruppe angehört, die für die Unterdrückung verantwortlich ist, dann nimmt es auch wieder die Kraft. Das gleiche gilt übrigens auch, wenn sich Frauen selbst als Bitch bezeichnen, das heißt nicht, dass Justus das nun auch einfach so sagen darf. Dazu wird es zu schnell und zu oft doch als Beleidigung genommen.

Warum aber fällt es einigen so schwer auf die Wörter zu verzichten? Ist es wirklich die Gewohnheit? Ja, Umstellungen sind schwierig, ich weiß das. Aber deswegen es direkt ablehnen? Das wäre so, als hätte man früher gesagt, man würde lieber das Plumpsklo draußen nutzen, statt drinnen die Toilette mit der Wasserspülung zu nutzen, weil das hat man halt immer schon so gemacht.

Liegt es daran, dass es für weiße da keinen Vorteil gibt? Denn Nachteile hat die Umstellung ja nicht, außer das man sich halt umgewöhnen muss. Schieben wir jetzt mal alle Leute beiseite die rassistische Arschlöcher sind (ich verschwende doch meine Zeit nicht Gründe für deren unmenschliches Verhalten zu finden). Ein Groẞteil der Leute die sich dagegen wehren sind bestimmt nicht absichtlich rassistisch, ich denke eher im Gegenteil. Viele gehen wahrscheinlich durch die Welt und sagen zu sich (und anderen) wie weltoffen sie sind, wie tolerant und halt gar nicht rassistisch, einige wählen bestimmt auch links (oder SPD), aber doch niemals sowas rechtes wie die AFD. Sie sehen den eingeschlichen Alltagsrassismus nicht. Und nun kommt jemand und erzählt ihnen, ihr Verhalten ist rassistisch. Das ist natürlich nicht schön zu hören, das passt halt so gar nicht zu dem Selbstbild, dass man von sich hat. Viele haben dann Angst direkt auf eine Stufe mit dem Nazi-Stefan gestellt zu werden, der mit ner Fackel durchs Dorf rennt. Und weil das niemand will (schon mal gut), werden halt händeringend Gründe gesucht, warum es nicht rassistisch ist dieses Wort zu benutzen. Da wird dann der schwarze Kollege rausgeholt, der kein Problem damit hat, mein Erlebnis zu Karneval hat ja auch niemanden geschadet und es werden sich andere Begründungen zurecht gelegt. Jede Erklärung ist gut genug, damit man nicht sich selbst in die Verantwortung ziehen muss. Und sei es, dass alle anderen eben zu sensibel sind. Alles Schneeflocken, ne Sibylle? Ich persönlich finde eher die Leute zu sensibel, die sich aufregen, weil sie gebeten werden keine Beleidigung mehr zu nutzen.

Es ist übrigens ein normales Verhalten, dass man sich selbst, vor allem nach außen, immer im besten Licht sehen will und so kann ich es auch bis zu einem gewissen Grad verstehen, dass sowas wie Selbstreflexion und Überdenken des eigenen Verhaltens nicht sehr angenehm sind, besonders wenn uns jemand anderes darauf hinweist. Es ist unbequem, aber für ein respektvolles Miteinander wichtig. Man muss tatsächlich verstehen, dass wir in Deutschland Rassismus so stark verinnerlicht haben, dass er unbewusst und ungewollt weiter verbreitet wird. Wer wirklich kein Rassist ist kann es auch schaffen das zu verstehen und sicher auch seine Sprache anpassen. Denn Sprache hat, wie schon erwähnt, eine ungeheure Macht.

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